Pacific Crest Trail
Was ist der Pacific Crest Trail (PCT)?
Der Pacific Crest Trail ist einer der längsten Fernwanderwege in den USA. Er verläuft von der Grenze der USA zu Mexiko durch die drei amerikanischen Staaten Kalifornien, Oregon und Washington bis an die Grenze zu Kanada. Wie der Name schon sagt, geht der Weg dabei über den Kamm der ersten Gebirgsketten, die aufragen, wenn man sich von der Westküste der USA kommend in östlicher Richtung orientiert. Insgesamt ist er 2.659 Meilen = 4.279 km lang und überwindet im ständigen Auf und Ab zwischen nahezu Meereshöhe am niedrigsten und rund 4.000 m am höchsten Punkt in Summe fast 150.000 Höhenmeter.
Er wurde bereits 1968 per Gesetz zum „National Scenic Trail“ ernannt, was ihn und die Landschaften, die er durchquert, unter besonderen Schutz stellt. Ähnlich wie bei den National Parks steht hier ein starker politischer Wille zum Schutz und zur Erhaltung der Natur in ihrer vielfältigen Schönheit dahinter, der dem Amerika der Umweltverschmutzung und Kommerzialisierung entgegen steht. Es gab und gibt zum Glück in den USA Gruppen von Menschen, die den Wert der Natur gebührend hoch schätzen und es verstanden haben und verstehen, in deren Sinne Einfluss auf die Politik zu nehmen.
Während einzelne Abschnitte des Weges von Millionen von Tages- oder Mehrtageswanderern begangen werden, versuchen sich mit jährlich steigender Tendenz ca. 2.000 bis 5.000 Wanderer am „Thru-Hike“, d.h. sie wollen die gesamte Strecke in einer Saison am Stück zurücklegen. Das stark wachsende Interesse am PCT wurde zum Teil durch das bereits erwähnte Buch “ Wild: From Lost to Found on the Pacific Crest Trail“ von Cheryl Strayed aus dem Jahr 2012, das in 2014 auch verfilmt wurde (deutscher Titel: „Der große Trip – Wild“).
Gehst Du allein oder mit jemandem zusammen?
Das ist auf jeden Fall eine der am häufigsten gestellten Fragen – und meine Antwort lautet: ich gehe alleine los. Wie auf dem Jakobusweg bin ich damit aber nicht zwangsläufig über fast 6 Monate total allein und auf mich gestellt, denn durch die wachsende Popularität des PCT zieht es jedes Jahr immer mehr Hiker auf den Weg und es starten zwischen Mitte März und Mitte Mai jeweils (mindestens) 50 Hiker pro Tag an der mexikanischen Grenze. Zusammen mit den 49 Mitstartern an meinem Startdatum und den Hikern, die 1-3 Tage vor uns oder nach uns starten, ergibt sich schnell eine Gruppe von bis zu 500 Leuten, denen man immer mal wieder begegnet, die man kennenlernen kann und mit denen man, wenn es sich ergibt, auch zusammen gehen oder campen kann. Auf dem Weg wird dies als Trail Family oder kurz „Tramily“ bezeichnet, denn wie in einer richtigen Familie bildet sich eine zwanglose Verbundenheit, die durch gegenseitige Hilfsbereitschaft und Unterstützung geprägt ist und die damit für jeden Einzelnen nicht nur zum Erfolg des Ganzen beitragen kann, sondern zugleich ein Motiv ist, solch eine Tour zu unternehmen.
Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, der auf meinem Jakobusweg deutlich wurde: ich kenne nur wenige, bei denen ich es mir vorstellen könnte, ein solches Unternehmen gemeinsam von Anfang bis Ende durchzuziehen. (Einer davon konnte es sich leider zeitlich nicht einrichten, sonst wären wir evtl. zu zweit auf den PCT gestartet.) Unterschiedlicher Laufrhythmus und ungleiches körperliches Leistungsvermögen, verschiedene Vorstellungen und Bedürfnisse hinsichtlich der Lebensmittelversorgung und der Unterkünfte und auch ein unterschiedliches Risikoempfinden eines anderen in schwierigen Situationen, um nur mal einige Beispiele zu nennen, würden es mir persönlich eher schwer machen, mich immer wieder auf die Herausforderungen einzustellen und die Motivation aufzubringen, weiter zu gehen, auch wenn es mal weh tut, und nicht aufzugeben, wenn es richtig eng wird. Mich hier permanent auf jemand anderes einzustellen zu müssen, würde mich unter Umständen zu sehr bremsen oder drängen. Ich habe auf dem Jakobusweg ein paar wenige Leute getroffen, mit denen dies zeitweise „einfach so“ funktioniert hat, und so kann es sich auch auf dem PCT ergeben.
Warum machst Du das?
Tja, die Frage der Fragen, und die Antwort ist nicht leicht, bzw. es gibt nicht die Antwort. Mir fallen dazu die folgenden wesentlichen Aspekte ein:
Hike, eat, sleep, repeat
Ich möchte einfach mal wieder eine Zeitlang raus aus der ganzen lauten, überschnellen und überfüllten Alltagswelt und diesem vorgegebenen Arbeitswochenrhythmus. Mein Kontrastprogramm dazu sieht ab Ostern dann etwa so aus: Schritttempo statt Raserei, in Bewegung sein und Schritt für Schritt dem selbstgesetzten Ziel näher kommen, die Ruhe genießen. Am Lauf der Sonne sehen, wie die Zeit vergeht, nicht auf irgendeiner Uhr. Den Gedanken ihren Lauf lassen. Sich um nicht viel mehr als um etwas zu Trinken und zu Essen und abends um einen Platz zum Schlafen kümmern müssen. Und am nächsten Tag wieder, und am übernächsten Tag wieder und auch am darauffolgenden Tag…
Dafür reichen mir ein paar freie Wochenenden und zwei- oder dreiwöchige Urlaube halt nicht, ich brauche da einfach „etwas“ länger.
Erfahren, mit wie viel wenig man auskommt
Der Satz ist ein (ungefähres) Zitat aus dem Schweizer Dokumentarfilm „Camino de Santiago“ von 2015, und ich liebe ihn sehr. Wenn man alles, was einem ständig zur Verfügung stehen soll, auf dem Rücken tragen muss, reduziert sich das ganz von alleine auf das, was man wirklich braucht. Es ist weniger Verzicht, als viel mehr Befreiung von Ballast und Besinnung auf das Wesentliche. Die Erinnerungen an den Jakobusweg sind über die Jahre verblasst, ich sehne mich einfach nach diesen „leichtgewichtigen“ Tagen, Wochen und Monaten unterwegs.
It’s about people!
Ich habe ja schon auf dem Jakobusweg erfahren, dass der Weg viel mehr ist als die zurückgelegte Strecke, die durchwanderten Landschaften und schließlich das Ziel: es sind dies die Menschen, denen man unterwegs begegnet. Das sind zunächst natürlich die anderen Hiker. Der Weg vereint, trotz unterschiedlichster Herkunft und individueller Motivation, alle, die sich aufmachen und auf das Abenteuer einlassen. Die nicht alltägliche Situation erlaubt es viel eher als im „normalen Leben“ sich zu öffnen, dem anderen mit echtem Interesse an seiner Person zu begegnen und sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Genauso wichtig sind die Menschen vor Ort, die sich um die Hiker kümmern, die in einem meiner ersten Blog-Beiträgen schon erwähnten „Trail Angels“. Sie schaffen Wasserflaschen in die Wüste oder überraschen vorbeikommende Hiker mit leckeren Dingen, die diese entbehren müssen (Früchte, Bier, Gegrilltes,…), oder organisieren Fahrten vom Trail in eine Stadt oder zurück oder oder oder… Das Internet ist voll von rührenden Geschichten über hilfreichen Taten. Als Hiker gibt man ein bisschen zurück, indem man ein etwas von sich und seiner eigenen Geschichte auf dem Trail erzählt und damit etwas teilhaben lässt am Abenteuer. Bei solchen Begegnungen passiert so viel zwischen dem irgendwann wieder Weiterziehenden und dem, der zurückbleibt, aber etwas von seinen Gedanken, Wünschen oder auch Sehnsüchten mit auf den Weg schicken kann.
Jeder Weg kann (d)ein Jakobusweg sein
Für mich gibt es keinen großen Unterschied zwischen einem längeren Fernwanderweg wie dem PCT und dem Jakobusweg. Es steht nicht „Religion“ drauf (und „Kirche“ schon gleich gar nicht), im Kern geht es aber um dasselbe: in angemessenem Tempo die Welt, in der wir leben dürfen, mit allen Sinnen erfahren und Wert schätzen und den eigenen Rhythmus nur in einen Einklang mit der Natur und dem, was hinter oder über ihr ist, bringen zu können, ohne die täglichen Zwänge und Ablenkungen. Das schaffe ich im Alltag (noch immer) nicht, das geht nur in solch extrem anderer Situation und braucht eben Monate weg von zu Hause. Das hat aber auch eine Kehrseite: sechs Monate am Stück werde ich ohne meine Frau, unsere großartigen Kinder und wunderbaren Enkelkinder sein…
Weggehen, um anzukommen
Mein Weggehen ist keine Flucht vor irgendetwas, sondern ganz klar nur eine Unterbrechung des Gewohnten für eine gewisse Zeit. Sechs Monate lang wird alles ganz anders sein, vieles spannend und anregend, aber manches auch ungewiss und ein bisschen beunruhigend. Gerade weil mir aber bewusst ist, dass dies ein „Ausnahmezustand“ ist, wird der Blick von unterwegs auf mein „normales“ Leben frei und irgendwann werde ich mich wieder voller Dankbarkeit darauf freuen, zurückzukehren.