Jakobsweg 2007

43. Etappe: Espalion - Espeyrac

Jörg | 15.05.2007 Minuten Lesezeit

Tja, die Klamotten waren natürlich nicht trocken heute morgen, zum Glück ging aber die Heizung dann doch und so hat’s dann gerade noch geklappt. Die Wege hätten auch einen Trockner gebraucht, der Regen von gestern und heute Nacht hatte alles ziemlich aufgeweicht und die vielen Stiefel haben knöcheltiefen Matsch produziert. Naja, wenigstens hat es nicht geregnet und nach und nach haben die vielen Wolken freundlichere Farben angenommen, d.h. hellere.

Recht bald war das berühmte Estaing erreicht (Giscard d´Estaing…). Danach ging es weiter am Ufer des Lot. Inzwischen kam immer mal die Sonne heraus, die recht gut brennt, dann fegt aber der kalte Wind wieder über die Höhen, ein ziemliches Wechselbad. Es ging durch kleine Täler rauf und runter, an den Hängen viele Kastanien. Die Gegend erinnert mich stark an die Cevennen, es gab sogar diese Trockenhäuser für die Kastanien (Ihr Cevennenfahrer: fragt doch Michel noch mal, wie die heißen und schreibt es auf, ich habe es schon wieder vergessen).

Auch wenn die Massen sich irgendwie zerstreut haben (ich habe heute weniger als 20 “Rucksäcke” überholen müssen), stellt sich das “Pilgergefühl” (wie Frans, der Holländer, immer sagt) nicht so recht ein, es ist halt wieder mehr eine Weitwanderung. Die heutige Ausnahme war ein alter Mann mit Rauschebart, der mein “Bon jour!” mit einem freundlichen “Bon jour, mon frère” (Guten Tag, mein Bruder) erwiderte. Da ging mir kurz das Herz auf, die anderen “Rucksäcke” waren (für ein paar Augenblicke) keine Konkurrenten um die Übernachtungsplätze usw. mehr, sondern Menschen mit der gleichen Idee und evtl. dem gleichen Ziel. Ja, ich glaube, das ist eben die Lektion, die hier zu lernen ist: man darf nicht egoistisch sein und das Schöne der Welt/des Wegs allein haben wollen, sondern man muss und kann es auch mit Vielen teilen. Die immer zahlreicher werdenden netten Begegnungen bereichern ja das Erlebnis sogar.

Heute haben Willem, der Belgier, und ich uns angepasst und vorsichtshalber die Plätze in der Gîte municipal telefonisch reserviert. Das war ganz gut, weil der Ort sehr klein ist und außer der einen Gîte kaum Alternativen bietet. Gerüchten zufolge beenden viele der “Gelegenheitspilger” und Wanderer ihre Reise bereits in Conques  schon wieder, so dass Hoffnung besteht, dass es noch ein bißchen entspannter wird. Heute also wieder ein Abend in der Gîte, neben vier Mädels in gehobenem Alter und 2 Franzosen ein neuer “Exot”: ein 73 jähriger Ire, der in London lebt. Er spricht kein Wort Französisch und hangelt sich mit einem “Phrase Book” durch…

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